2013
Fast zwei Jahre dauerte die Planung unserer Nordtour in Ägypten, um kurz vor dem Start wegen der politischen Unruhen in Ägypten fast wieder abgesagt zu werden. Allen 20 Reiseteilnehmer fiel dann ein Stein vom Herzen, als Condor mitteilte, dass ab dem 30. September wieder geflogen wird, sodass unserer Reise nun nichts mehr im Wege stand. Von Nichtreisenden gefragt wohin es denn gehen sollte, machte jeder die Erfahrung, dass ungläubige Blicke und sogar blankes Entsetzten in den Augen der Gesprächspartner zu erkennen war - wie kann man denn in ein Land fliegen, in dem Krieg herrscht - man war bereits vor Antritt der Reise quasi für tot erklärt worden.
Dennoch fanden sich am 10. Oktober alle pünktlich, frohen Mutes und voller Erwartungen auf dem Flughafen ein. Das Einchecken und das Verladen bzw. Zählen der Koffer verlief erwartungsgemäß ziemlich chaotisch, zumal noch Übergepäck gleichmäßig verteilt werden musste. Nachdem dann allerdings sämtliche Koffer aufgegeben waren, konnte dem geplanten Weißwurstfrühstück entgegengesehen werden. Allerdings gingen bereits hier die Schwierigkeiten los, Weißwürste gab es nicht mehr und schon gar nicht um diese Uhrzeit. Man wich dann auf andere Speisen und Getränke aus und passierte die Sicherheitskontrolle teilweise schon mit leichter Schlagseite.
Das Flugzeug hatte wegen eines Fluglotsenstreiks in Frankreich Verspätung, wir flogen dann ca. 30 Min. später in Stuttgart ab. Der Flug verlief ruhig, zumal hier bereits einige unserer nervösen Mitreisenden sich mithilfe geistiger Getränke etwas Mut und Ruhe angetrunken hatten. In Hurghada dann angekommen fiel zunächst auf, dass extrem wenig Flugzeuge auf dem Vorfeld unterwegs waren. Auch die Ankunftshalle war erstaunlich leer. Die Einreise in Ägypten verlief daher angenehm ruhig und zügig, auch der Transfer vom Flughafen zum Schiff verlief sehr ruhig.
Die Fahrt durch Hurghada machte deutlich, welche Auswirkungen und Ausmaße die Krise in Ägypten hat, die Stadt wirkte wie ausgestorben, es waren kaum Menschen unterwegs, was angesichts der Jahreszeit und der Uhrzeit des Transfers sehr ungewöhnlich war. Alles verlief sehr angenehm und organisiert und wir konnten in aller Ruhe auf dem Boot, der MY Obsession, einchecken. Sven, unser Guide, erwartete uns bereits und viele helfende Händen sorgten für die Verlagerung des Gepäcks vom Kai aufs Boot. Da sämtliche Reiseteilnehmer die Planke problemlos meisterten und keiner ins Wasser fiel, verlief auch dieser Teil der Anreise extrem geordnet, um nicht zu sagen langweilig.
Nachdem die beiden Oberkabinen durch Losglück zugeteilt waren, verteilten sich die restlichen Kabinengenossen auf die übrigen Kabinen im Unterdeck. Das Schiff machte einen sehr sauberen und gepflegten Eindruck. Das Reisegepäck und das Tauchgepäck wurden ausgepackt und die erste Urlaubsstimmung kam auf. Es war angenehm warm und wenig windig im Hafen, was sich später allerdings noch gründlich ändern sollte. Die Taucher hatten mehr oder weniger schnell ihre Kabinen und den jeweiligen Tauchplatz auf dem Tauchdeck bezogen. Einige Ausrüstungsfetischisten begannen sofort mit nervösen Montagearbeiten, die währen der gesamten weiteren Fahrt auch regelmäßig wiederholt wurden. Es zeigte sich jedoch sehr schnell, je komplexer die Technik, desto schwieriger die Handhabung und größer die Störanfälligkeit. Nachdem noch einige defekte Flaschen getauscht waren, stand das erste Abendessen an und sofort konnte man feststellen, dass unser Küchenchef sich sehr große Mühe gab und das Essen super lecker schmeckte.
Der erste Abend stand an und wurde bereits eine feuchtfröhliche Angelegenheit. Am nächsten Tag fuhr man zum ersten Tauchgang ans erste Riff und machte dort den Checkdive. Danach ging es weiter zur Ghiannis D, dem ersten Wrack auf unserer Tour. Spontan bildeten sich neue Buddyteams und Interessengruppen, da die einen das Wrack nur von außen betauchen wollten, andere ins Wrack eindringen wollten, für wieder andere war das Wrack nur Dekoration. Diese Interessengruppen, die sich auf der ganzen Tour weiter verfestigten, waren die Fraktionen der Schneckenschupser, der Alteisenfetischisten, der Höhlenforscher, der Wrackhasser, der Rifftaucher und der Fotofreunde.
Der Tauchgang zu Ghiannis D war bereits sehr interessant, der Maschinenraum des Schiffs war noch vollständig erhalten, man konnte den modernen Schiffsdiesel in allen Einzelheiten unter die Lupe nehmen, musste aber bereits bei diesem Tauchgang feststellen, dass die Ägypter ihre Wracks in schlechtem Zustand halten. Keine Ordnung auf dem Schiff, insbesondere die Schwäbische Kehrwoche wurde nicht sorgfältig gemacht, sodass insbesondere die Gruppe der Alteisenfetischisten und Höhlenforscher anschließend starke Verschmutzungen ihrer Tauchanzüge zu beklagen hatten. Hier herrscht dringender Verbesserungsbedarf und sollte als freundliche Anregung aufgefasst werden.
Nach Einbruch der Dunkelheit erfolgte der erste Nachttauchgang, der insbesondere von einer unserer Mitreisenden mit großer Spannung erwartet wurde. Es war ihr erster Nachttauchgang im Roten Meer bzw. ihr erster Nachttauchgang überhaupt und nachdem zahlreiche gut gemeinte Ratschläge und abenteuerliche Geschichten über das Tauchen bei Nacht und insbesondere im Meer die Runde gemacht hatten, war Alex nur noch widerwillig ins Wasser zu bringen. Bereits bei den Briefings zu den einzelnen Tauchgängen zeigte sich eine große Ungeduld einzelner Teilnehmer/innen, die sich weniger für den aktuellen Tauchgang interessierten und vielmehr Informationen über die nachfolgenden Tauchgänge bzw. sogar für die nachfolgenden Tage erwarteten. Dies hatte zur Folge, dass der spontane und diesbezüglich ziemlich planlose Tauchguide hinsichtlich dieser Fragen immer ungeduldiger wurde und sie schlussendlich vollständig ignorierte.
Auch der erste Nachttauchgang verlief erwartungsgemäß gut und schön, jedoch bereits am nächsten Morgen traten die ersten natürlichen Ausfallerscheinungen auf. Es wurde über Ohrenschmerzen geklagt, auch weitere Wehwehchen hinderten den einen oder anderen an der Ausübung weitere Tauchgänge, dies in wechselnder Besetzung. Am zweiten Tag standen die Wracks Chrissoula K, Carnatic und Dunraven auf dem Plan, ebenfalls interessante Tauchgänge, eher der etwas einfacheren Natur. Auch der Nachttauchgang erfolgte nach dem bewährten Rezept, dunkel, windig, frisch. Bereits am zweiten Tag konnte man feststellen, dass unsere Fotofreunde ihr Augenmerk auf Lebewesen richteten, die ungefähr die Größe von Einzellern hatten. Normale Menschen, die versuchten nachzuvollziehen welches Lebewesen denn nun fotografiert wurde, konnten mit normalem Augenlicht nichts entdecken. Anschließend wurde über Einzeller, Nacktschneckengehäuse, Gehäuseschnecken, Krebse oder sonstiges Kleingetier aufgeregt berichtet, das Verständnis der Mittauchenden hielt sich über dieser biologische Betrachtungsweise in Grenzen. Aber auch unsere Alteisenfreunde und die Höhlenforscher kamen an diesem Tag auf ihre Kosten.
Nachmittags musste man feststellen, dass der eine oder andere Mittaucher dekompressionsfördernde Getränke zu sich nahm, dies stellenweise in Ausmaßen, die eine weitere Teilnahme an Tauchgängen nicht mehr ermöglichten. Auch hier war die Folge ein lustiger Abend, der jedoch aufgrund der taucherischen Aktivitäten und der damit in Verbindung stehenden Müdigkeit nicht mehr so lange dauerte wie der erste Abend.
Am dritten Tag war bereits einer der Höhepunkte angekündigt, das Schiff erreichte das Ras-Mohammed, welches weltweit aufgrund seiner extrem schönen Korallenbewüchse und des enormen Fischbesatzes bekannt ist. Unter Wasser wusste man gar nicht wo man zuerst hinschauen sollte, die Tauchgänge dort waren extrem schön und farbenprächtig. Auch hier kamen insbesondere unsere Fotofreunde wieder voll auf ihr Kosten. Von der Jolanda, die am Shark Reef liegt, sind leider nur noch Reste vorhanden, das Wrack ist abgerutscht und nur noch die Ladung ist auf dem Riff erkennbar. Man verlegte dann nachmittags den Ankerplatz und das nächste Highlight stand auf dem Programm, die Thistlegorm. Erwartungsgemäß wurde dieser Tauchgang mit großer Spannung begonnen, die Thistlegorm, mit Sicherheit eines der schönsten Wracks im Roten Meer, wurde von allen ehrfurchtsvoll angetaucht. Auch hier spaltete sich unsere Tauchgruppe auf, in diejenigen, die das Wrack mehr von außen betrachteten und diejenigen, die meinten sie müssten in jedes Loch hineingekrochen sein. Wieder ein wunderschöner Tauchgang, glücklicherweise ohne Probleme und von allen bravourös gemeistert. Auch der Nachttauchgang wurde an der Thistlegorm gemacht, ein Erlebnis der besonderen Art. Bei Nacht zeigt das Schiff seine ganze Schönheit, insbesondere die Weichkorallen öffnen sich, sodass das ganze Schiff farbenfroh leuchtet. Für unsere Höhlenforscher änderte sich relativ wenig, da es im Schiff bei Tag und bei Nacht gleichmäßig dunkel ist.
Auch der early-morning-dive am folgenden Tag wurde bei der Thistlegorm durchgeführt, auch hier wieder ein wunderschöner Tauchgang. Allerdings ging an diesem Tag der Nitrox-Kompressor in Flammen auf, sodass ab diesem Tauchgang nur noch reine Pressluft zur Verfügung stand, was die Nullzeiten deutlich reduzierte.
Weitere krankheitsbedingte Ausfälle machten die Runde und die Gesprächsthemen wurden, auch aufgrund der Mitreise unserer Krankenschwestern, immer appetitlicher. So wurden verschiedene Formen und Farben von Ohrenschmalz und sonstigen Entzündungen und Ausflüssen bis ins Einzelne diskutiert, es wurde erörtert, wo sich denn ein Propf im Ohr gebildete haben könnte und welche Behandlungsmethoden hier weiter helfen könnten. Ausflüsse wurden direkt und intensiv in Augenschein genommen, diskutiert und analysiert. Entsprechende Medikamente, die mit Sicherheit ein Pferd umgehauen hätten, wurden großzügig verteilt und eingenommen, wieder erwarten haben jedoch alle Behandelten diese Kur überlebt und sogar die Krankheiten konnten größtenteils geheilt werden. Ob dieser angenehmen und sehr appetitlichen Diskussionen tat sich der eine oder andere Reiseteilnehmer etwas schwerer beim Essen, jedoch wurden diese Themen dann mit Rücksicht auf die empfindlicheren Mägen auf die Zeiträume nach dem Essen verschoben.
Die Überfahrten über die Straße von Gubal waren mit extrem hohem Wellengang verbunden, das Schiff schaukelte so stark, dass man sich stellenweise nur im Liegen aufhalten konnte, alles was stand wurde unweigerlich umgeworfen. Die Tauchgänge in Gubal erfolgten nach dem bekannten Schema und dienten hauptsächlich dazu, sich auf den absoluten Höhepunkt der Reise vorzubereiten, Stickstoff abzubauen und Nullzeiten anzusparen. Es stand als Nächstes die Rosalie Moller auf dem Programm. Ein Wrack, dass von vielen Teilnehmern bereits sehnlichst erwartet wurde.
Die Rosalie Moller liegt sehr tief und wird üblicherweise von Safaribooten nur ungern angefahren. Da die Rosalie Moller deutlich unterhalb der Grenze von 40 m lag und auch dekopflichtige Tauchgänge anstanden, war es der coolness der Guides zu verdanken, dass die Rosalie Moller zu einem absoluten Highlight der ganzen Tour werden konnte. Man stieg mit gewohnter Angespanntheit und Vorfreude ab und tatsächlich präsentierte sich einem in knapp 40 m das Oberdeck der Rosalie Moller, in einem ganz hervorragenden Zustand. Durch die Tiefe entging das Wrack größtenteils den unsäglichen Plünderungen und ist noch sehr detailreich erhalten. Aufgrund der begrenzten Nullzeit war der erste Tauchgang für diejenigen, die ins Wrack eindringen wollten, etwas hektisch, zumal der Einstieg nicht sofort gefunden werden konnte. Nachdem jedoch dieses Problem beseitigt war, konnte man innen eine wunderschöne Dreizylinder-Dampfmaschine und die zugehörigen Bedienelemente sehen und bestaunen. Auch der Fischbestand rund um die Rosalie war ganz außergewöhnlich. Es war ein Jung-Barrakuda-Schwarm vor Ort und auch ansonsten pulsierte das Leben rund um das Wrack. Viel zu schnell war die Zeit um und die Deko musste angegangen werden.
Nach langer Diskussion wurde dann ein weiterer, zweiter Tauchgang zur Rosalie Moller beschlossen, hier mussten diejenigen, die nicht gerne Wracks betauchen, zugunsten der anderen etwas zurück stehen, jedoch war dieser zweite Tauchgang noch schöner als der erste. Man versetzte dann das Boot am nächsten Tag weiter an ein Riff, um insbesondere auch den nicht wrackbegeisterten Tauchern ausgiebig Gelegenheit zu geben, das maritime Leben zu erkunden und zu erforschen und schöne Tauchgänge zu erleben. Weitere Krankheitsfälle, ins besondere auch durch die starken Winde am Abend, sich verbreitende Erkältungen unter den Teilnehmern, aber auch der Konsum weiterer geistiger Getränke sorgte dafür, dass die Tauchgemeinde langsam aber stetig immer weiter schrumpfte. Die letzten Tauchgänge führten die Gruppe an weitere Wracks, unmittelbar im Hafen von Hurghada. Viel zu schnell war der letzte Tauchtag da und alle waren begeistert, glücklich und froh, gesund ihre Tauchgänge beendet zu haben.
Nachdem die organisatorischen Dinge wie Logbucheinträge, Unterschriften und Stempel etc. erledigt waren, verbrachte man noch einen wunderschönen Abend im Hafen bei einigen Cocktails und sonstigen Getränken, welcher durch einen beherzten Sprung mit Kopflandung vom Kai aufs Boot durch einen der mitreisenden Gäste schwungvoll beendet wurde. Trotz Abzügen in der B-Note war Matthias allerdings nicht bereit den Sprung zu wiederholen, eigentlich unverständlich.
Am nächsten Tag ging`s ans Packen und an die Vorbereitung der Rückreise. Eine ereignisreiche und schöne Woche ging schnell vorbei. Eine kleine Gruppe verblieb in Ägypten und verbrachte im Abschluss daran noch eine Woche in einen nahegelegten Hotel. Die überwiegende, größere Gruppe machte sich auf den langen und ermüdenden Rückflug nach Stuttgart. Dort angekommen verteilte sich alles relativ schnell und jeder ging entspannt und erholt nach Hause.
Es war eine wunderschöne Tour, die Reise nach Ägypten hat sich gelohnt, vielen Dank dafür an unseren Organisatoren Stephan. Von den dortigen Unruhen war überhaupt nichts zu spüren und es wäre den Ägyptern und dem Land zu wünschen, dass sich die Lage bald wieder beruhigt, damit noch weitere solch einen schönen Urlaub verbringen können, wie unsere Tauchgruppe.
(Jürgen Fuchs)